Texte
- Dr. Ulrich Krempel
Ausschnitt aus dem Begleittext im Katalog:
Tina Juretzek - Das Paar, 1984 - Prof. Karl Ruhrberg
Figur und Raum – Anmerkungen zu den Arbeiten von Tina Juretzek
Ausschnitt aus dem Begleittext im Katalog:
Tina Juretzek, Bilder und Zeichnungen, 1989 - Dr. Guido de Werd
Tina Juretzek – Im violetten Labyrinth von Raum und Chiffre
Ausschnitt aus dem Begleittext im Katalog:
Tina Juretzek - Die violetten Bilder, 1991 - Prof. Hans Gerke
Ad Fontes – Zum Motiv der Quelle in den Arbeiten von Tina Juretzek
Ausschnitt aus dem Begleittext im Katalog:
Tina Juretzek - Brechende Räume, 1999 - Dr. Wolfgang Zemter
Gedanken zur Entstehung und Beschaffenheit der Bilder mit Japanpapier
Ausschnitt aus dem Begleittext im Katalog:
Tina Juretzek – Brechende Räume, 1999 - Dr. Gabriele Uelsberg
Tina Juretzek – Kunst im öffentlichen Raum
Ausschnitt aus dem Begleittext im Katalog:
Tina Juretzek - Brechende Räume, 1999 - Maria Engels M.A.
Tina Juretzek – Geahntes Land
Ausschnitt aus der Eröffnungsrede zur gleichnamigen Einzelausstellung
in der Ehemaligen Reichsabtei Aachen-Kornelimünster, Kunst aus NRW, 2005 - Dr. Stefanie Lucci
Tina Juretzek - Frühe Jahre
Ausschnitt aus dem Begleittext zu der Edition "Tina Juretzek - Die frühen Jahre", erschienen anläßlich der gleichnamigen Einzelausstellung im Antiquariat Querido, Düsseldorf, 2011
Dr. Ulrich Krempel
(…) Zeichnungen erlauben ein direktes, schnelles Arbeiten, ermöglichen Spontanität und Unmittelbarkeit bei der Entwicklung von Zeichen aus Linien und Flächen. Kein anderes Medium der bildenden Kunst trägt mehr handschriftlichen Charakter als die Zeichnung, gleichgültig, welcher Aufgabe der Zeichnende gerade folgt. Unmittelbare Aufzeichnung von Gesehenem - gar noch vor dem Gegenstand - ist eine klassische Funktion des Zeichnens; aber auch das abbreviierende Skizzieren oder das fast automatisch ablaufende Notieren eigenen Erinnerns und Assoziierens. Tina Juretzek arbeitet in ihren Blättern an der Verdichtung des Gesehenen in zeitlichem Abstand; solche Arbeiten entstehen im Atelier, in einer Atmosphäre, in der sich Abläufe eigener Art entwickeln. Das Ergebnis sind Folgen von Blättern zu einem Thema, dessen unterschiedlichste Aspekte in einzelnen Stufen formuliert werden.
Das notwendige Material und Werkzeug ist unaufwendig: Papier, Tusche und Wasser, Feder und Pinsel. Die Linie des Zeichnens mit der Feder hält auch die Geschwindigkeit des Arbeitens fest, Schnelligkeit wird sichtbar, die Bewegung der Hand über Konturen und Strichlagen nachvollziehbar. Dem ordnet sich ein fast malerisches Moment der Ruhe und Ausdehnung zu mit den flächigen Graubereichen aus verdünnter Tusche, die mit dem Pinsel aufgetragen werden. Diese zwei ganz verschiedenen Aspekte schaffen gemeinsam den Raum, in dem die Figuren handeln oder der sie selber sind. Die Durchlässigkeit des Grau, das lasierend über die Linien gebracht wird, setzt einen Zwischenbereich in die zeichnerische Polarität von Weiß und Schwarz. Auf diesen neuen Zustand des Blattes reagiert die Zeichnende: mit der Verstärkung verblassender Konturen, mit Wiederholung oder Veränderung, mit Variationen auf Gegenstand oder Figur. Solche Mehrschichtigkeit des Blattes fordert uns, die Betrachter, zum vielschichtigen Bedenken. Oder, anders formuliert: in der Fülle der Assoziationen des Betrachters ist die Kargheit der künstlerischen Mittel aufgehoben. (...)
Prof. Karl Ruhrberg
(...) Tina Juretzek ist eine engagierte Malerin, die sich mit ihren Figuren identifiziert, deren Bilder ausnahmslos auf inneren und äußeren Erfahrungen basieren, wie sich aus der Vehemenz und der Spontanität ihres ungeplanten, konzeptuell nie festgelegten malerischen und zeichnerischen Vortrags leicht ablesen läßt. Aber sie verliert nie die Kontrolle über ihre Emotionen, sie arbeitet dialektisch, sie verbindet, um eine Formulierung von Norbert Elias zu benutzen, Engagement mit Distanzierung. Auch wenn sie aus dem unmittelbaren Impuls heraus arbeitet - und das tut sie eigentlich immer, fast im Sinne der surrealistischen „ecriture automatique" - liefert sie sich nicht gänzlich dem Unbewußten aus. Sie versinkt nicht in Trance, der reflektierende Intellekt wird nicht ausgeschaltet, sie guckt sich, wie Paul Klee es verlangt hat, beim Malen über die Schulter. Ihre Bilder sind nie unverbindlich, der Bezug zur Realität bleibt immer bestehen, wenn auch gewiß nicht im Sinne platter Abbildlichkeit. Ihre Bildwirklichkeit ist vielschichtig, die ihrer Zeichen ist es auch, doch sie ist nicht symbolisch befrachtet, sie bleibt offen und läßt viel Raum für Assoziationen. Ihre Komplexität, die Verschränkung von Zeit und Raum heben die Darstellung über das Individuelle hinaus ins Allgemeine. Die anonymen Figuren werden zu „Stellvertretern", das betont Subjektive des malerischen Vortrags wird objektiviert.
Trotzdem bestimmt die eigene Befindlichkeit der Künstlerin Gestalt und Klang ihrer Bilder. Die strahlende Leuchtkraft der Farben am Anfang tritt zurück, die Palette wird verhaltener und dunkler, Rot kommt immer seltener vor und wenn, ist es nicht bildbestimmend wie vorher. Schwarz und Grautöne mit vielen Zwischenstufen brechen ins Bild ein, mischen sich unter Blau, Gelb und Weiß. Nicht mehr ungebrochene vitale Lebensfreude, sondern ein tiefer Ernst prägt die „Stimmung" dieser Arbeiten.
Auch diese Veränderung in Bildgestalt und Thematik ist Reflex eigenen Erlebens, des Erlebens von Krankheit und Tod. Die Vorstellung der „Überfahrt" ist in diesen meditativen Arbeiten präsent. Es sind keine Reisebilder mehr, die Tina Juretzek so gern und so oft gemalt hat, sondern Projektionen existentieller Erfahrung. Der gedämpften, zurückgenommenen Farbigkeit entspricht eine reduktive Konzentration der Form. Alles Anekdotische ist nun definitiv ausgeschaltet, obwohl der Kontrast zwischen malerischer und skripturaler Gestaltung, der Tina Juretzeks Bildern von jeher ihre Spannung gibt, nicht nur erhalten bleibt, sondern sich durch zunehmende Präzision eher noch verstärkt. Die zeitweilige Gefahr der Zersplitterung, des Auseinanderfallens der Räume „wie in einem zerbrochenen Spiegel", das der Malerin im Rückblick wie der künstlerisch manifeste Ausdruck einer Krise erscheint, ist endgültig gebannt. Die Unbefangenheit und Heiterkeit früherer Formulierungen aber ist vorerst nicht zurückgekehrt. „Ich möchte immer Ruhe, Weite und Helligkeit, aber ich kriege die Dunkelheit nicht raus", sagt Tina Juretzek. Daß sie es nicht mit Tricks, die ihr bei ihrem technischen Können durchaus zur Verfügung stünden, und nicht mit der Routine versucht, spricht für ihre künstlerische Integrität.
Ihre „Suche nach dem Gegenüber", die sie - dem Egotrip vieler Zeitgenossen entgegen -kontinuierlich fortsetzt, schließt auch den Schmerz und die Trauer nicht aus. Ihre indirekte Methode, solchen Gefühlen Ausdruck zu verleihen und sie vom Persönlichen ins Überindividuelle zu übersetzen, bewahrt sie auch bei dieser nicht ungefährlichen Thematik vor den Untiefen unreflektierter Empfindsamkeit. Die Bilder verlieren nichts von ihrer imaginativen Kraft, sie gewinnen vielmehr durch formale Verdichtung und gedankliche Vertiefung, die über das Sichtbare und konkret Erfahrbare hinausweist.
Dem entspricht ein Zuwachs an gestalterischem Vermögen bei der Bewältigung großer Formate, wie es sich selbst bei einer so ungewöhnlichen Aufgabe wie der Schaffung eines Bildes für den klaustrophobischen Ort einer Düsseldorfer U-Bahnstation bewährte. Es gibt auch auf solchen Bilder keine Füllsel, keine nichtssagenden Stellen. Der Hang zur Präzision, der nichts Ungefähres, nichts Verschwommenes und Unartikuliertes zuläßt, kommt Tina Juretzek dabei zustatten. Immer hält sie Inhalt und Form in spannungsvoller Balance, verbindet sie Intensität mit Sensibilität, eine geradezu lyrische Intimität mit expressiver Gestik. Farbe, Form und Schrift, Malerei und Zeichnung werden in ihren Bildern zu einer überzeugend entwickelten bruchlosen Einheit. Ihr Weg von der Zeichnung zur Malerei, vom kleinen zum großen Format ist von bemerkenswerter Konsequenz und sicherlich längst nicht zu Ende gegangen. Nur ihre Lieblings-Vorstellung hat sie noch nicht verwirklicht: „Mein Ideal wäre eine weite Landschaft, aber das kann ich nicht machen, weil ich nicht dran glauben kann." Doch jeder Künstler strebt nach dem Unerreichbaren, sonst hätte er seinen Beruf verfehlt, und wer nicht vom Unmöglichen träumt, wird das Mögliche nicht realisieren. Tina Juretzek ist jung, sie ist unterwegs und noch längst nicht am Ziel. Und wer wollte heute schon wissen, ob es nicht doch die weite Landschaft sein könnte?
Dr. Guido de Werd
(...) In Tina Juretzeks Bildern aus den Jahren 1990 bis 1991 kommt das Violett neben den anderen Farben als einzige Konstante vor. Es beherrscht die Farbskala und taucht überall auf, manchmal in flächiger Form, meistens in lebhafter Dynamik. Zeichnerische Strukturen (in Violett) wechseln sich mit malerischen Schwingungen in Violett ab.
Wie Titel wie „Grotte" und „Abgrund" andeuten, sind die Inhalte vieler Arbeiten landschaftlicher Art.
Das Licht, das vom Violett ausgehen kann, wirkt oft beunruhigend. „Ein solches Licht über eine Landschaft gebreitet, suggeriert die Schrecken eines Weltunterganges", schrieb Goethe. Violett als Farbe des Unbewußten, des Geheimnisses, ist auch Symbolträger in der christlichen Kirche. Als Zeichen für Buße fand sie in der Fastenzeit Anwendung. Als Grundton der Meßgewänder zeigen die Priester sie dem Volke als Mahnung und Ansporn. In der Karwoche werden Heiligenfiguren, Altäre und Kruzifixe unter violetten Tüchern verhüllt, als Zeichen für diese Tage des schuldvollen Erwartens, in denen durch Buße und durch Leiden die Erlösung und damit das Heil erlangt wird.
Tina Juretzek erfährt die Farbe Violett sowohl als gefährlichen, giftigen, aufwühlenden Ton im Goethischen Sinne, als auch als Farbe der Verwandlung, des Umbruches. Aus ihren Bildern verschwinden die Farben Rot und Grün völlig, und das einst so bedeutende Blau wird degradiert zu einem periferen Stützton. Mit Ausnahme des Titelbildes ist in allen Arbeiten ein elementares Gelb präsent, das in Form einer, wie aus einer Flasche gedrückten triefenden Fläche oder als blitzartige Struktur auftritt.
Die leuchtende, lichtausstrahlende Wirkung dieser materialhaft anwesenden Farbe tritt als Symbol für die Erleuchtung, für das Wissen dem Violett als Farbe des oft bedrückenden Geheimnissen entgegen. Mit dieser symbolischen Öffnung durch die Farbe Gelb manifestiert Tina Juretzek die malerisch-materielle Öffnung der Bilder und die Hervorrufung von Weite und Tiefe. Wie die im zweiten Teil des Kataloges abgebildeten Arbeiten auf Papier besonders deutlich machen, sind viele Bilder kompositorisch von der Mitte ausgehend aufgebaut. Innere Erlebnisse und die Beschäftigung mit Innen und Außen, Raum und Enge, Geschlossenheit und Öffnung, werden durch landschaftliche Erfahrungen, wie das tiefe Eindringen in Grotten, das Umhülltsein im Innern eines Bergmassivs oder auch die Wahrnehmung eines aus der Außenwelt eindringenden Lichtes, tangiert und künstlerisch zum Ausdruck gebracht. In dem Bild „Grotte" deutet die in der Bildmitte links angebrachte, in einem anderen materiellen und zeitlichen Zusammenhang stehende Violett bemalte Collage die Öffnung, als Zeichen für die Weite und Offenheit des Außen an. Die Collage fungiert zugleich als Element der Zeit, das Tina Juretzek von jeher in der Materialität der Oberflächenstruktur ihrer Bilder nachvollziehbar machte. (...)
Prof. Hans Gerke
(…) Auch bei Tina Juretzek definiert eine bestimmte Konstellation von Farben und Formen das Thema. Das eingangs skizzierte Koordinatensystem zyklischer und orthogonaler, sich dem Zufall und den physikalischen Eigenschaften der Farbe verdankender Formen, die polyphone, kaleidoskopische Konkordanz graphischer und malerischer Elemente, geplanter und spontan sich einstellender Resultate eines komplexen Arbeitsprozesses, sind ebenso bestimmend wie die in einem anderen Aufsatz dieser Publikation ausführlicher beschriebene, gleichermaßen nach außen, in den realen, vor allem aber nach innen, in den imaginären Raum wirkende Dynamik, die diesen Raum erst eigentlich erzeugt, sich dabei unterschiedlicher Techniken, der Überlagerung von Formen, Farben und Materialien, Lasur und Collage, auch verletzender, die Oberfläche attackierender Eingriffe, bedient.
Man könnte versucht sein, angesichts einer solchen, Gegenständliches allenfalls noch als Abbreviatur zitierenden Malerei von einer Renaissance des Informel zu sprechen. Zweifellos haben informelle Konzepte und Techniken die Künstlerin beeinflußt -etwa das Götzsche Rakel-Verfahren, das sich hier mit ostasiatischen Einflüssen verbindet, dem „Fliegenden Weiß" eines Pinselschwungs, der eine präzise Form bezeichnet, obwohl sich diese nur partiell, als Bewegungsspur, materialisiert. AberTina Juretzeks Ansatz ist ein anderer. Betrachtet man ihre Entwicklung, so steht die Beschäftigung mit der Landschaft am Anfang, immer stärker wird und bleibt dann aber das klassische Thema der menschlichen Figur bestimmend, als Gruppe, Einzelfigur oder Büste, ohne daß deswegen der Landschafts-Aspekt aufgegeben werden müßte.
Tina Juretzeks Figuren - mehr und mehr abstrahiert, in den Bildgrund eingewoben, stehen nie allein, sondern sind charakterisiert durch ihre Einbindung in einen umfassenden, dynamischen Kontext, in ein kommunikatives Geschehen, das isokephale Kompositionen nach Art klassischer „Sacre Conversazioni" ebenso kennt wie vorübergehend auch eine erschreckende Dissoziation der Bildpartikel.
Anthropomorphe Stilleben-Elemente, insbesondere Gefäßformen, haben sich schon seit den frühen 80er Jahren dialogisch zur Figur gesellt und sie partiell ersetzt. Zum Teil hat Tina Juretzek eigens Stilleben-Bilder gemalt, nur um sie zerschneiden und in der ihr eigenen Collage-Technik in andere Kompositionen einfügen zu können. Doch diese Gefäße haben nichts Düsteres, sie funkeln und blitzen, sind dem Wasser und der Sonne verwandter als der Erde - nicht so sehr das Tönen des Tons als vielmehr das Klingen und Klirren des Glases vermeint man zu hören. Das Quell-Thema umfaßt beides: das Dunkle und die strahlende Helle, Ihnen und Außen, Oben und Untern, Geist und Materie(...)
(…) Sonne, Kopf, Leib, Brust, Gefäß, Sammelbecken, Kosmos, Kelch: Immer wieder dominiert das dynamische Rund die Komposition, nicht hermetisch geschlossen, sondern dynamisch geöffnet, sich immer neu bildend und verströmend wie ein Strudel und dabei doch immer wieder erinnernd an den Kreis, der die Gegensätze vereint, das ebenso einfache wie rätselhafte Urzeichen, das Vollendung und Neubeginn untrennbar verbindet, dessen Gestalt sich, anders als die des Quadrats, auf geheimnisvolle Weise der mathematischen Definition entzieht.
Fernöstliches Denken und Gestalten hat Tina Juretzek in verschiedener Hinsicht beeinflußt - im Aufsatz über die Papierarbeiten ist davon ausführlicher die Rede. Die Kreisformen in Juretzeks Bildern erinnern an japanische Kalligraphien: Im Rund eines einzigen Pinselschwungs, im Zeichen des Zen, das eine Leere meint, die zugleich Fülle ist wie das Gefäß, dessen Wesen erst aus dem Nichts, aus Hohlraum und Öffnung seine Bedeutung gewinnt, spricht sich aus, was Lao Tse einst so beschrieben hat: „Empfangen ohne voll zu werden, vergossen werden ohne leer zu werden das ist die Kunst der Bewahrung des Lebens".
Dr. Wolfgang Zemter
Innerhalb des aktuellen Oeuvres der Düsseldorfer Künstlerin Tina Juretzek entstand eine für sie neue - auch kunsthistorisch interessante - besondere Werkgruppe, die hier eigens exponiert werden soll: Es handelt sich dabei um traditionelle Leinwände (auf Keilrahmen-Chassis) mit applizierten Japanpapieren. Vorangegangen war im November/Dezember 1991 eine Einzelausstellung in Osaka. (...)
(...) Die Künstlerin bezeichnet diese Art ihrer Arbeiten als MaIereicoIIagen. Damit ist präzisiert, daß der Prozeß des Collagierens an den des Malens geknüpft ist. Beides setzt die plane Ebene voraus (weshalb diese Bilder, flach auf dem Boden liegend, entstehen), um zu verhindern, daß die Farbe - der Schwerkraft folgend -willkürlich verläuft.
Unerheblich ist maltechnisch dabei, ob die aufgetragenen Farbwischer aus schwarzer oder weißer Farbe bestehen oder einem intensiveren Farbton angehören. Dennoch: Da jegliche Farbe bei den collagierten Elementen durchschlägt, wird immer wieder unser räumliches Sehen irritiert: Die Erfahrung, Dunkles räumlich tiefer-liegend als Helles zu lokalisieren, kann zumindest in den Grenzbereichen aufgehoben erscheinen.
Die zumeist hochformatig - auch oblong hochformatig - angelegten Bilder werden von der Künstlerin schon beim ersten Farbauftrag - in Abschnitten, nicht Zäsuren - strukturiert. Die geschwungen aufgetragene Farbe suggeriert schon erste Räumlichkeit (dabei wird die gleiche Gestik in der Malerei benutzt, die schon in den frühen körperbezogenen Zeichnungen und Bildern der Künstlerin figurative Volumen kennzeichneten). Diese großgestischen Skandierungen der Flächen bilden - zumal wenn sie miteinander korrespondieren - Zentren aus, in deren eigentlichen „Ereignisräumen" nun collagiert wird.
Bei dem schon angesprochenen Verfahren mit seinen - gesteuerten - Zufälligkeiten darf das Motiv des Spielerischen nicht unterschätzt werden. (Hier trifft ein Wort des großen buddhistischen Philosophen und Zen-Kenners Suzuki zu, welches er in seiner Einführung zu dem die deutsche Nachkriegskunst erheblich beeinflussenden Buches von Herrigel formulierte: „Der Mensch ist ein denkendes Wesen, aber seine großen Werke werden vollbracht, wenn er nicht rechnet und denkt. 'Kindlichkeit' muß nach langen Jahren der Übung in der Kunst des Sich-Selbst-Vergessens wiedererlangt werden. Ist dies erreicht, dann denkt der Mensch und denkt doch nicht. Er denkt wie der Regen, der vom Himmel fällt; er denkt wie die Wogen, die auf dem Meere treiben; er denkt wie die Sterne, die den nächtlichen Himmel erleuchten; wie das grüne Laubwerk, das aufsprießt unter dem milden Frühlingswind. Er ist in der Tat selbst der Regen, das Meer, die Sterne, das Grün."
Nicht die Materialnähe und die Ähnlichkeit der Erscheinung bestimmter formaler Phänomene, sondern eine Art innerer Seelenverwandtschaft, die aus dem Gestehungsprozeß selber herrührt, läßt diese Bilder von Tina Juretzek geradezu meditativ/fernöstlich auf uns wirken.
Ihre gesamte Erscheinung - auch oberflächenmorphologisch - stellt einen Naturbezug jenseits des Informellen her: Es sind landschaftliche, geologische, kosmologische Anmutungen, auch wenn die Arbeiten nicht - oder selten - durch gegenständliche Titel bezeichnet sind. Es gelingt Tina Juretzek mit den Mitteln der Gestik, Handlung so zu fokussieren, daß man meint, selber an einem Schöpfungsakt teilzunehmen. Ihr eigenes „Machen" und die thematisierte Archaik des Inbegriffes von „Entstehung" sind innerbildlich identisch.
Dabei bleibt es unerheblich, ob der Betrachter die Malweise selber reflektiert oder das Ergebnis.
Die Palette der von der Künstlerin eingesetzten Farben reicht von arktischen Blau- und Grüntönen bis hin zu stark nuancierten Erd- und Sandtönen.
Tina Juretzek erreicht in den Materialcollagen mit Japanpapier einerseits, den Bild-entstehungsprozeß für den Betrachter nachvollziehbar zu halten, andererseits und gleichzeitig den Aktionsteil simultan als Inhalt zu bestimmen und zur Bildbedeutung zu transformieren.
Dr. Gabriele Uelsberg
(…) Die Intensität von Empfindungen der Innen- und Außenwelt verstärkt sich durch das Bewußtsein, die Kontrolle über das bereits entstandene Bild nicht absolut zu besitzen und so in einem mehr offenen und assoziativen Bereich die Verbindungen zwischen den einzelnen Elementen auch und dies sicher im Sinne der surrealistischen Theorie - dem geplanten Zufall auszuliefern. In diesem Kontext ist es auch nicht ganz abwegig, die Technik der Collage selbst, die Tina Juretzek in ihre malerischen Arbeiten integriert, in dem Kontext surrealer Darstellungsmittel zu bewerten. Denn auch dort hat sich die Collage mit den Einklebungen unterschiedlicher Techniken darauf konzentriert, mehrere Ebenen und größere Tiefe in die Bilder hineinzusetzen, die ungewöhnliche Begegnungen von emotionaler und traumhafter Wirkung auszulösen im Stande sind.
Im Kontext der Friese ist auch der motivische Übergang von Figur zur Landschaft im Werk von Tina Juretzek gleichsam programmatisch. Malerisch gesehen ist eine völlige Gleichsetzung von Figur und Fläche nie möglich, da die Figur sich als Körper dem Raum zuordnet. Selbst bei fortschreitender Abstraktion der menschlichen Figur, wie weit sie auch quantitativ wie qualitativ im Detail reduziert sein mag, bleibt dennoch ein gewisser Grad der Taktilität erhalten, der eine Figur-Raum-Relation suggeriert und damit im Gegensatz steht zur Zweidimensionalität der Bildfläche. Indem in den Arbeiten von Tina Juretzek die Motive von Gegenständen und Landschaften verschmelzen, gelingt es ihr, diesen Gegensatz von Figur und Fläche zu überwinden. Die Landschaft ist als Motiv der Malerei ein Sujet, das sich im Unterschied zur menschlichen Figur nicht gegensätzlich zur Bildfläche verhält, sondern in Analogie dazu steht. Öffnet sich dem Betrachter die menschliche Figur erst in taktiler Nahsicht, wird Landschaft nur in Fernsicht überhaupt erfahrbar. Ist ein gewisser Detailreichtum notwendig für die Repräsentation von Figur, entwickelt sich die Landschaft, eher detailfeindlich, in einer flächigen Makrostruktur, die durch die Fernwirkung bedingt ist. Diese Eigenschaften der Landschaft im malerischen Sinne lassen sich aber ohne weiteres in die Zweidimensionalität der Bildfläche umsetzen. Im Gegenteil widersetzt sich das Landschaftsmotiv einer Umsetzung in den Raum, was daran deutlich wird, daß die Landschaft niemals zum Thema der Skulptur wurde. Besonders gesteigert wird dies, nehmen wir Landschaft als eine vorüberziehende wahr, die sich einer genauen Untersuchung durch die Abfolge von Zeit und Raum widersetzt. Solche Landschaften, die wir vielleicht von einem Zugfenster aus vorbeiziehen sehen, beruhen mehr auf Assoziationen, auf flüchtigen und daher eher atmosphärischen Eindrücken. Diese atmosphärischen Qualitäten jedoch sind genaue Gegenteile von den konkreten Erfahrungen, wie wir sie mit den menschlichen Figuren und konkreten Gegenständen machen. In diesem Kontext bewegen sich die großen Friese von Tina Juretzek im Zwischenbereich zwischen atmosphärischen Landschaftsabstraktionen und gestisch expressiven Zeichensetzungen, die mit Dinglichkeiten assoziiert werden können.
Was im Kontext der Gestaltung dieses großen Wandfrieses „Weltreise" für den Betrachter nachvollziehbar wird, ist der zeitliche Ablauf der Entstehung. Am Ort angebracht, einem langen Flur, der sich auf der gegenüberliegenden Wand zum Innenhof hin öffnet, ist es dem Betrachter nie möglich, einen so großen Abstand zu der Arbeit zu bekommen, daß er sie auf einen Blick überschauen kann. Die Weltreise, zu der ihn die Arbeit einlädt, muß er mit absolvieren, indem er das Bild abschreitet und sich im Vorübergehen ebenso jene zeitliche Abfolge deutlich macht, die sich in der Arbeit durch den Entstehungsprozeß verbildlicht hat. Das Bild von Zeit wird auch in einem Prozeß von zeitlicher Betrachtung für den Beschauer nachvollziehbar, stellt sich zwangsläufig und unausweichlich ein. (...)
Maria Engels M.A.
(...) Der Titel der Ausstellung „geahntes Land“ beschreibt dabei eine Entwicklung, die das Oeuvre der Künstlerin in den letzten Jahren genommen hat und sich auch an den Titeln ihrer jüngeren Malereicollagen ablesen lässt, wie z. B. „Wüsten-Ort“, „rote Küste“, „gelber Strom“, „Moor-Land“ und „Ostsee“. Die ihrem Wesen nach abstrakten Gemälde legen nämlich dem Betrachter Assoziationen landschaftlicher Gegebenheiten nahe, wie Wasser, Horizont, Berge, Felsen, Inseln, menschenleere Orte ohne Vegetation, sozusagen im Entstehungsprozess begriffen, am Beginn evolutionärer Entwicklung. Gelegentlich scheinen auch Formationen wie Dolmen und Menhire rituelle, urzeitliche Orte zu markieren, Spuren menschlicher, vorgeschichtlicher Existenz zu veranschaulichen.
Interessant ist gerade in diesem Zusammenhang die Herstellungsweise der z. T. großformatigen Malereicollagen. Auf die liegenden grundierten Leinwände wird mit Buchbinderleim Japanpapier appliziert – dieses Verfahren hat Tina Juretzek experimentell entwickelt, nachdem sie solche Papiere bei einem Japanaufenthalt kennen lernte und von dort mitbrachte – mit breiten langhaarigen Pinseln wird sehr flüssige Farbe, meist in ausgreifenden, horizontalen Schwüngen, die den ganzen Körper beanspruchen, immer wieder aufgetragen. Die Papiere fasern auf, bilden Kanten und Brüche, die an Horizontlinien erinnern, schieben sich zu Inseln zusammen, lassen gelegentlich dreidimensionale, beinhart aufgetrocknete Materialeffekte entstehen, die nicht von ungefähr an Gesteinsbrocken erinnern. Durch die vielfache Überarbeitung der Bildfläche verbinden sich alle Partien miteinander, bis die die Künstlerin befriedigende Gesamtlösung für ein Bild entstanden ist. Einzelne meist entgegen der Richtung des Malgestus ausgeführte kurze Pinselsetzungen scheinen dabei häufig die undefinierten, im Entstehungsprozess befindlichen Landschaftsformationen in bestimmte, bedeutungshafte Orte zu verwandeln.
Die Herstellungstechnik ihrer Bilder verbindet Tina Juretzek mit bestimmten Tendenzen der Malerei in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, wie sie besonders auch in Nordrhein-Westfalen in dieser Zeit virulent waren, mit der als Informel bezeichneten Variante des abstrakten Expressionismus, Bilder z.B. von K.O. Götz tauchen vor dem geistigen Auge auf.
Die grundsätzliche inhaltliche Bedeutungshaftigkeit unterscheidet aber neben ihrer experimentellen Collagetechnik die Werke Tina Juretzeks entscheidend von dem die Aufhebung der formalen Bindung der Farbe anstrebenden Informel, das man auch als die zweite Stufe der Abstraktion bezeichnet hat. Diese Inhaltlichkeit, die ja nicht nur der Ausstellungstitel „geahntes Land“ nahe legt, sondern auch die einzelnen Bildtitel, hat die Künstlerin in ihrer langjährigen Auseinandersetzung mit fernöstlicher Philosophie gefunden, aber auch in japanischen Tuschezeichnungen erlebt, wo sich bis zu einem gewissen Grad formale Verwandtschaften finden lassen, im Übereinanderstaffeln landschaftlicher Gegebenheiten anstelle von Tiefenräumlichkeit, wobei sich die oberen Regionen fast im Transzendentalen, in der Vergeistigung aufzulösen scheinen.
Die Affinität zur fernöstlichen Philosophie und zur japanischen Tuschezeichnung einerseits, andererseits die eigene Entwicklungsgeschichte aus der Zeichnung heraus und die Tradition des abstrakten Expressionismus kennzeichnen das eigenständige Werk der Düsseldorfer Malerin.
Dr. Stefanie Lucci
Die künstlerische Entwicklung von Tina Juretzek ist konsequent. Werden die frühen Werke, insbesondere die kleinformatigen Gouachen aus dem Jahr 1980 den aktuellen gegenübergestellt, scheint sich ein Kreis zu schließen, - eine Form, die im Œuvre Tina Juretzeks übrigens eine herausragende Position einnimmt. Schon zu Beginn ihres künstlerischen Schaffens sind in den Gouachen wesentliche Aspekte vorformuliert, die auch ihr heutiges Werk charakterisieren. Gleichwohl unterliegen diese Merkmale vielfacher metamorphotischer Wandlungen, die sich von 1980 bis heute vollzogen haben und noch nicht abgeschlossen sind. Doch hat sich der Schwerpunkt der Bildaussagen verlagert. War das Bildgefüge anfangs wesentlich durch Fragen geprägt, so scheinen die heutigen Werke eher diese zu beantworten, ohne jedoch den suchenden, forschenden Aspekt der Findung außer Acht zu lassen. Noch immer umkreist Tina Juretzek ihre Themen: Raum, die Figur im Raum und der daraus resultierende Dialog zwischen Formen, Flächen und Assoziationsfreiräumen.
Im Mittelpunkt der Betrachtung steht stets der Mensch, so abstrakt die Arbeiten auch anmuten mögen. Es ist der Mensch, der versucht Raum zu definieren, sich selbst im Raum zu konstituieren, um sich damit seiner selbst zu vergewissern. Die Bildfindungen von Tina Juretzek erlangen damit eine Allgemeingültigkeit, die Biographisches, auch wenn anlässlich, weit hinter sich lassen. Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit Existentiellem, hat jüngst Arbeiten entstehen lassen, in denen Ort und Gegenwart in Raum und Zeitlosigkeit aufgehen. Mit Novalis gesprochen sind sie Hervorbringungen einer "geistigen Gegenwart", in der Vergangenheit und Gegenwart, passiv und aktiv nicht mehr getrennt sind. Im Rückblick tragen schon die frühen Werke diese Züge. (...)
Ab 1982/83 werden die Werke großteiliger und es findet eine dezidierte energetisch geladene Vernetzung mit dem Gesamtraum statt, wobei sich die Bildgefüge zugleich weiter beruhigen. Die Formen werden größer und Tina Juretzek arbeitet vermehrt mit Farbklängen, die überbordende Farbvielfalt tritt zurück. Heinz Thiel beschreibt diese Entwicklung in Anlehnung an Jean Gebser als eine Überführung von Erlebnis in Erfahrung, wobei die Erfahrung durch Allgemeingültigkeit und Zeitlosigkeit gekennzeichnet ist. Mehr und mehr tauchen Chiffren auf, die vielfach deutbar sind, als pars pro toto gelesen werden können und die Weltlandschaften mit Mythischem aufladen. Das Dreieck findet vielfache Verwendung, sowohl als Kompositionsanlage als auch als Form. Die Lesart reicht u.a. von weiblichem Symbol auf der Basis ruhend, über männliches Symbol auf der Spitze stehend, Gefäß, Berg, Vulkan, Pyramide bis hin zu religiösen Symbolen im Christentum wie auch im Judentum. Ähnlich komplex ist auch die Form eines Rads aufgeladen, die in vielen Weltlandschaften auftaucht oder auch Flaschen und Gläser, die unmittelbar an Bankette und weiterführend an die sacra conversazione denken lassen.
Daneben entstehen zahlreiche Zeichnungen, in denen Tina Juretzek Biographisches festhält, das später als Bildvorwurf verwendet wird oder als Collagematerial dient. In den Zeichnungen ist sie gegenständlicher und arbeitet seriell. Beispielhaft seien hier die Stromboli-Serie und die Lilith-Serie genannt. Mitte der 80er Jahre entstehen dann bis zu 24 Meter lange Wandfriese. Hans Knopper führt treffend aus, dass sich in den Friesen Malweg und Lebensweg überlagern. Mittlerweile sind die frühen Figurengruppen einer Vereinzelung von Figuren im Raum gewichen. Die Figuren werden oftmals als Bruststücke wieder gegeben, der Abstraktionsgrad hat sich erhöht. Die monumentalen Friese wie auch die anderen Werke aus den 80er Jahre erwecken vielfach den Eindruck einer Archäologie von Seelenlandschaften. Diese Friese sind zweifelsohne eine Kulmination im Schaffen Tina Juretzeks, zugleich aber auch Zäsur. Die Vielfalt wird danach mehr und mehr in Einheit überführt.
So entstehen Ende der 80er Jahre Werke, die nochmals konzentrierter geworden sind. Die Formen haben sich trotz der hoch energetischen Dynamik der Malgeste noch stärker beruhigt, das Bildgefüge ist noch großteiliger geworden und hat sich verdichtet, die Formate sind wiederum kleiner geworden. Opake Schichtung ist einer Transparenz gewichen, die die Formen, Chiffren, Pinselstriche und Zeichnungen miteinander, mitunter transluzierend, verweben. Der Abstraktionsgrad hat sich wesentlich erhöht, wobei Tina Juretzek mit zahlreichen Analogien arbeitet. So gleichen sich etwa Mensch, Gefäß, Quelle, Kreis immer mehr an. Stillleben erweitern nun vermehrt das Repertoire.
Die Entdeckung von Japanpapier als Collagematerial bringt ab 1991 ein zusätzlich haptisches wie auch geistiges Element in die Arbeiten. Das verschrumpelte des Papiers gleicht Häutungen. Verstärkt tritt nun in dieser Werkgruppe die vereinzelte, die bewusste und konzentrierte Setzung der schnellen Malgeste in den Vordergrund. Der Kreis und die damit verbundene Dynamik gewinnt deutlich an Gewicht. Jede Form trägt nachvollziehbar ihr Gegenteil in sich, Werden drückt Vergehen aus, Gegensätzliches wird als ein Ineinander-Umschlagendes formuliert. Der Raum wird weiter und gewinnt an zusätzlichen Dimensionen. Nur ein energiegeladener Pinselstrich genügt Tina Juretzek, um Raum entstehen zu lassen, Nähe und Ferne zu definieren. Ihre Kunst vergeistigt sich.
Tina Juretzek arbeitet nun mittels einer ästhetischen Energie, die Bewusstsein und Tätigkeit vereint. Selbstreflexion und Reflexion des Objekts sind nicht mehr getrennt. Ihre derzeitigen Japanpapier-Malereien erinnern unmittelbar an die Kunst des Bogenschießens, bei der sich die gesamte gesammelte Energie während der Konzentration auf einen Punkt in einem Moment des Loslassens entlädt. Die aktuellen Werke von Tina Juretzek sind geradezu Zen.
Genau dieser Aspekt der schnellen, gleichwohl konzentriert gesetzten Mal- und Zeichengeste wie auch das Ausloten von Raum, wobei stets dialektische Ambivalenz die Weltlandschaften prägt, verbindet die frühen Werke Tina Juretzeks mit den heutigen. Auch in den frühen Werken schwingt schon ein Da-Sein mit, das die "Kraft der angespannten Vernunft" bricht, womit das Begreifen endet und ein anderes Denken beginnt, ein vom Gegen-Stand entbundenes Denken, das ganz Wahrnehmung wird.